Wo Geschichten wachsen

Wo Geschichten wachsen: Kinderladen Gießen besucht Waldsofa
Zwischen hohen Bäumen, raschelndem Laub und Vogelstimmen liegt ein ganz besonderer Ort: das selbstgebaute Waldsofa der Kinder aus dem Kinderladen Gießen. 22 Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren machten sich am 3. Juli 2025 auf den Weg in den Wald – begleitet von ihren Erzieherinnen, einer Großmutter und Naturpädagogin Kerstin Wessel. Gemeinsam verwandelten sie den Vormittag in ein lebendiges Naturerlebnis – wie so oft seit sie im April ihr „Sofa“ gebaut haben.
Es musste beim Bau des liebevoll angelegten Sitzkreises aus Ästen und Baumstämmen, der um einen jungen Baum gelegt wurde, laut Kerstin Wessel zunächst eine passende Stelle im Wald gesucht werden. Einen Platz ohne Totholz zu finden war eine Herausforderung im Klimawandel. Gleichzeitig bietet das tote Holz auch das perfekte Material, um daraus gekonnt ein stabiles Waldsofa zu arrangieren.
Land Art, Sammeln, Bildung zur nachhaltigen Entwicklung – bei der Entstehung des Waldsofas und bei den zahlreichen Besuchen der Natur im näheren Sozialraum sind viele Aspekte kultureller Bildung beinhaltet. Das Ziel des Projekts verrät der Projekttitel „Wald, Wiese, Feld, Bach – Natur erleben mit allen Sinnen“: Beobachten, Lauschen, Fühlen und Schmecken stehen auf dem Programm.
Gleich zu Beginn des Ausflugs versammelten sich die Kinder und begrüßten mit einem Lied die Tiere des Waldes: Wölfe, Wildkatzen, Eulen und Feldhasen wurden dafür bewusst von den Kindern ausgewählt. Das Lied ist ein Ritual und wird jedes Mal gesungen. Auch das Frühstück wurde musikalisch eingeleitet mit einem Lied über Eichhörnchen und Nüsse. So wurde ein weiterer Aspekt kultureller Bildung eingeflochten, der Rhythmus- und Gemeinschaftsgefühl ebenso wie die Sensibilisierung für den Lebensraum der Tiere stärkt.
Wichtelgeflüster und der pädagogische Mehrwert des Naturzaubers
Nach dem gemeinsamen Essen begann das freie Spiel. Die Kinder bewegten sich sicher und neugierig durch das Gelände, manche erkundeten eigenständig die Umgebung, andere ließen sich zu kleinen Spaziergängen begleiten. Dabei wurden beim Balancieren die Grenzen zwischen Mut und Angst ausgelotet. Es zeigte sich ein achtsamer Umgang zwischen den Kindern sowie eine ganz selbstverständliche Kooperation und Kommunikation beim Durchstreifen des dornigen Gestrüpps.
Auch die Fantasie hatte ihren Platz: Mit Begeisterung präsentierten die Kinder eine selbstgebaute Murmelbahn für die Wichtel – aus Rinde, Stöcken und mitgebrachten Murmeln. Die „Wichtelmännchen“, so hieß es, hätten die Bahn leider kaputtgespielt. Als Beweis für ihre Existenz zeigten die Kinder kleine Höhlen am Waldboden: die „Baumhotels“.
Naturpädagogin Kerstin Wessel begleitete all das mit wachem Blick, zurückhaltender Präsenz und einfühlsamer Anleitung. Im Gespräch betonte sie, wie sehr Kinder in der Natur ihre motorischen, kognitiven, sprachlichen und emotionalen Fähigkeiten spielerisch auf ganzheitliche Weise entwickeln und selbst regulieren – und wie wichtig Rückzugsräume und Stille gerade in einem oft lauten Kita-Alltag sind.
Klangvolle Momente zum Tagesabschluss
Zum Abschluss zeigten die Kinder stolz ihre Generalprobe für das Kinderladen-Lied, das sie mit Kulturpartnerin Tess Wiley selbst komponiert und aufgenommen haben. Jedes Kind hat im Song einen eigenen Part – ein beeindruckendes Ergebnis gemeinsamer kreativer Arbeit, das am nächsten Tag beim Sommerfest uraufgeführt wurde. (To be continued – davon werden wir bald genauer berichten!)
Der lebendige Lerntag im Grünen zeigte, wie Kinder im Naturraum wachsen. Neugier, Mut, Fantasie und Miteinander bilden das Herzstück der Besuche am Waldsofa. Die Erkundung der Natur zu allen Jahreszeiten, verwoben mit anderen Elementen kultureller Bildung, knüpft erfolgreich an den Bildungs- und Erziehungsplan des Landes Hessen an. Der Kinderladen Gießen erfüllt somit auf der Grundlage von Kulturkita Hessen gleich mehrere Zielsetzungen des Modellprojekts.
Alle Fotos in diesem Beitrag: © Jan Will







