Tess Wiley

„Es ist für mich keine Frage, dass Musik in jeder Kita einen hohen Stellenwert haben sollte.“
Tess Wiley ist seit vielen Jahren Wahl-Hessin und gebürtige US-Amerikanerin. Die Singer-Songwriterin ist für ihre gefühlvolle Stimme und ihre Mischung aus Folk, Pop und Indie-Rock bekannt.
Sie begleitet den Kinderladen Gießen mit dem Projekt „Singen und Springen“. Es lädt Kinder dazu ein, spielerisch musikalische Vielfalt zu erleben, eigene Texte wie Quatschgedichte und Dada-Poesie zu vertonen und so Offenheit, Gemeinschaftsgefühl und demokratische Werte durch Musik, Kunst und Rhythmus zu fördern. Das Ziel ist „Open Earedness“, die Bereitschaft und Fähigkeit, sich unvoreingenommen auf unterschiedliche Klänge, Musikstile und Ausdrucksformen einzulassen. Daraus ist auch das neue Kita-Lied des Kinderladens entstanden, das sie gemeinsam getextet und aufgenommen haben.
Wir haben Tess Wiley interviewt, um sie als Expertin besser kennen lernen und vorstellen zu können.
Was hängt an deinem Schlüsselbund?
Am Schlüsselbund habe ich tatsächlich eine Lasche, auf der zu lesen ist: “Sei nicht so pingelig!”. Ich habe das wohl bei einer Probe des Chors, den ich leite, gesagt – aber weiß nicht mehr, wozu. Ein Sänger fand es lustig und hat Schlüsselbänder für den ganzen Chor gemacht.
Was hat Musik dir als Kind bedeutet – und wer hat dich ermutigt, dranzubleiben?
Ich wuchs in einer sehr musikalischen Familie auf, und mein Vater, der selbst Musiker ist, hat oft Platten aufgelegt, wozu wir Kinder gerne tanzten. Meine Eltern haben mich auf jeden Fall sehr ermutigt – und auch sehr angetrieben. Ich musste damals jeden Tag 30 Minuten Klavier üben. Mit Eieruhr! Heute bin ich froh, wenn meine Schüler in dem Alter (ca. zehn Jahre) vier Mal pro Woche 15 Minuten üben.
Was passiert, wenn Kinder Musik machen dürfen – wirklich selbst, nicht nur zuhören?
In meiner Erfahrung kann man beobachten, wie sie aufblühen, Hemmungen verlieren, ihren eigenen Körper kennenlernen. Was ich auch gelesen habe, ist, dass es dem Gehirn eine Struktur verleiht, die das Lernen im Leben erleichtert. Sie üben Laute und somit Sprechen, hören, wie Töne harmonieren, und generell lachen sie viel.
Was wir auch in meinen „Singen & Springen“-Kursen machen: Jedes Kind darf alleine ein kurzes Lied mit zwei Boomwhackers “begleiten” – und das Kind hat die Macht, was Tempo und Lautstärke angeht. Wir müssen uns beim Mitsingen anpassen und manche Kinder kosten das voll aus, versuchen uns mit plötzlichem Tempowechsel reinzulegen. Eine Mordsgaudi!
Welcher Moment in deiner Arbeit mit Kitas und Kita-Kindern ist dir besonders im Herzen geblieben ?
Es fängt schon damit an, wie sie zu mir rennen, meinen Namen rufen, und sich an meine Beine klammern! Im Kurs staune ich nicht selten, wie gut und schnell sie sich bestimmte Lieder merken und mitsingen können. Mir geht das Herz auf, wenn sie sich bei jedem neuen Teil der Kurseinheit lautstark freuen, wenn ich ein Plakat oder Instrumente raushole. Und wenn sie mit den Eltern oder wieder in die Kita Gruppe singend weggehen, dann freue ich mich, solche Arbeit zu machen.
Was müsste sich ändern, damit Musik in der Kita noch selbstverständlicher wird?
Eine Sache, die ich gerne sähe, ist, dass mehr Erzieher:innen ein Instrument lernen, damit sie auf organische Weise mit den Kindern musizieren können. Gitarre ist dafür ideal.
Und wenn man erkennt, wie es den Menschen – nicht nur Kindern – beim Spracherwerb hilft, ist es für mich keine Frage, dass Musik in jeder Kita einen hohen Stellenwert haben sollte.
Weitere Infos und Klänge von Tess finden sich auf ihrer Website sowie bei Instagram und Youtube.